Grenzen computergestützter Partizipation: drei Beispiele

Kurzzusammenfassung

Anhand von drei Fallbeispielen (politische Internetforen, virtueller Parteitag und internetgestützte Bürgerbeteiligung) werden die Grenzen computergestützter Partizipation im politischen Raum diskutiert. Partizipation wird dabei eng als informierte Beteiligung am Zustandekommen politischer Entscheidungen verstanden. Der Ausgangspunkt für die hier dargestellten Betrachtungen ist allerdings kein politikwissenschaftlicher, sondern eher ein techniksoziologischer, nach der Maxime: Um Aussagen über die Grenzen beispielsweise computergestützter Partizipation treffen zu können, ist es notwendig, nach den tatsächlichen Praktiken des Umgangs mit Technik zu fragen. Im Vergleich der drei Fallbeispiele wird deutlich, dass oft zuviel Hoffnung in Technik gesetzt wird und dabei die Bedeutung von Machtressourcen und Informalitäten übersehen wird.

Politische Techniken

Theorien des sozialen Handelns haben oft ein gespaltenes Verhältnis zur Technik. Auf der einen Seite sind technikblinde Theorien zu finden, die in einer sehr engen Auslegung der Durkheimschen Maxime, soziale Tatsachen nur durch soziale Tatsachen zu erklären, schlicht ignorieren, dass es so etwas wie Technik überhaupt gibt. Die andere Seite dieses gespaltenen Verhältnisses sozialer Theorie zur Technik ist eine Verabsolutierung der Technik: als eine die Lebenswelt bedrohende technische Rationalität (Jürgen Habermas), als externe Kraft, die das Soziale schlicht mitreißt (so in vielen Makrotheorien des technischen Wandels), oder auch, andersherum gewendet, als Brennpunkt utopischer Hoffnungen für die Lösung bestimmter sozialer Probleme – exemplarisch sei Brechts Radiotheorie genannt, also die Vorstellung, dass das damals neue technische Medium Radio demokratisierende Wirkung entfalten würde. Wenn wir die Frage der Partizipation als ein soziales Problem verstehen, und dieses in Zusammenhang zu einer bestimmten Technik, nämlich dem Computer, betrachten wollen, bleibt auf den ersten Blick kein Mittelweg zwischen der völligen Ignoranz einer wie auch immer gearteten Wirkung von Technik oder einer Verabsolutierung der Technik, als Bedrohung für Demokratie und Partizipation, oder anders herum gewendet, als einzige Hoffnung, wie den überhaupt in einer zersplitterten und globalisierten Welt noch so etwas wie politische Teilhabe herzustellen ist. Ich meine jedoch, dass, wer Technik in ihrer Wirkung absolut setzt, der Technik zu viel Handlungsmacht zuspricht und den Menschen zu wenig, und damit letztlich genauso blind ist wie rein soziale Theorien. Vielmehr halte ich es für sinnvoll, das Verhältnis von Technik und Handeln als eine Wechselwirkung zu verstehen: Technik als eine Handeln ermöglichende und begrenzte Struktur im Sinne Anthony Giddens (1992), auf die sich menschliche Praktiken in ganz unterschiedlicher Weise beziehen können (vgl. Hörning 2001). Diese Haltung schließt an Claus Leggewie an, der in einem Überblick über die Nutzungsmöglichkeiten elektronischer Kommunikation für demokratische Prozesse schreibt: "Computervermittelte Kommunikation an sich ist weder demokratie-freundlich noch -feindlich. Wenn a priori kein Interesse an politischer Beteiligung besteht, wird sie auch das Internet nicht herbeizaubern." (Leggewie 1997: 15). Damit wird es wichtig, sowohl auf die (konkrete) Technik zu blicken als auch die damit verbundenen Praktiken, Handlungsroutinen und Vorstellungen in den Blick zu nehmen, um Aussagen darüber treffen zu können, wo die Grenzen beispielsweise computergestützter Partizipation liegen, wie dies hier der Fall sein soll. Dazu möchte ich drei Fallbeispiele heranziehen, und dann versuchen, doch zu allgemeinen Aussagen zu kommen.

Vorher ist es vermutlich notwendig, etwas zum Partizipationsbegriff zu sagen, wie ich ihn hier verwende. Ohne weiter auf die politikwissenschaftliche Debatte um partizipative Demokratie einzugehen, möchte ich im Sinne einer deliberativen Politikkonzeption zwischen dem bloßen Informationsangebot, der informierten Mitsprache (Deliberation, Willensbildung) und der tatsächlichen – informierten! – Beteiligung an Entscheidungen (Partizipation) zu unterscheiden. Letztlich ist damit auch die Frage verbunden, wie relevant getroffene Entscheidungen sind, ob sie also eine Wirkung entfalten. Der Maßstab, den ich hier an Partizipation setze, ist also nicht nur die Teilhabe an Deliberationsprozessen, sondern letztlich die Frage, ob diese Teilhabe einen Unterschied macht oder nicht.

Fallbeispiel 1: Politische Internetforen

Ein erstes Fallbeispiel wären politische Internetforen, etwa die Foren der politischen Parteien (vgl. etwa Bieber 1999; Rogg 2001). Ich möchte hier näher auf die von Arne Rogg durchgeführte Untersuchung der Online-Diskussionsforen der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien eingehen (Rogg spricht auch von "politischem Graffiti"). Analysiert hatte er die Diskussionsbeiträge in den Online-Foren von CDU, SPD, FDP, Grünen, CSU und PDS in einer Woche im März 2001 (Rogg 2001: 29 ff.) sowie Aussagen der Parteien dazu, was mit den dort stattfindenden Diskussionen geschieht. Zusammenfassend stellt er fest, dass die Foren der deutschen Parteien bereits 2001 technisch ausgereift sind, allerdings nicht alle Möglichkeiten des Mediums verwirklichen. Fazit:

"Obwohl die Foren der Parteien zu den interaktiven Kernbestandteilen der virtuellen Parteizentralen gehören, liegt ihr hauptsächlicher Nutzen für die Parteien derzeit immer noch im Marketingbereich, da die Tatsache, dass es ein Forum und auch einen Chat gibt, wichtiger zu sein scheint als die Einbindung in den politischen Prozess. Dies zeigt sich auch daran, dass die Mehrzahl der Foren zwar redaktionell begleitet, aber nicht wirklich ausgewertet wird, und dass selbst dort, wo diese Auswertung stattfindet, sie nicht in die Foren zurück vermittelt wird. Für die Teilnehmenden ist der Effekt ihrer Beteiligung nicht ersichtlich." (Rogg 2001: 37).

Ähnliche Beobachtungen dürften sich für die Onlineforen politischer Institutionen wie der Bundes- und Landesparlamente durchführen lassen. Auch die inzwischen recht beliebte Beteiligung von PolitikerInnen an Online-Chats dürfte ähnlich zu beurteilen sein.

Deutlich wird hier, dass die technischen Möglichkeiten nur die eine Seite der Medaille sind. Die damit prinzipiell eröffnete Chance einer direkteren Kommunikation, eines politisch Interessierte einbeziehenden Deliberationsprozesses und einer direkten Partizipation breiterer Kreise an den Entscheidungen der Parteien wird nicht genutzt. Vielmehr werden Online-Foren eher als eine schnellere und direktere Form des Leserbriefschreibens verstanden und entsprechend für die parteiinterne Strategiebildung ausgewertet – auch wenn oftmals, zumindest in der Euphorie der ersten Tage, anderes behauptet wurde. Das Problem dabei ist jedoch kein technisches, sondern eines der Strukturen und Praktiken der politischen Institutionen: wer bis jetzt gut damit gefahren ist, seine Entscheidungen in kleinen Zirkeln zu fällen und sie höchstens im Sinne einer genauen Beobachtung der öffentlichen Meinung auf diese abzustimmen, wird seine Verhaltensroutinen nicht auf einmal auf basisdemokratische Partizipation umstellen. Thesenförmig gefasst: in Bezug auf politische Online-Foren kommt es weniger auf die technische Ausgestaltung an als auf den politischen Willen seitens der Partei, Partizipation im Sinne einer echten Beteiligung zuzulassen (und damit auch Machtverluste in Kauf zu nehmen).

Fallbeispiel 2: Virtuelle Parteitage

Einen expliziten Versuch, die bisher ausgeformten Instrumente der innerparteilichen Willens-bildung – und damit auch der hier innerparteilichen Partizipation – ins Netz zu übertragen, stellt der Virtuelle Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg dar, der Ende des Jahres 2000 stattfand. Auf die genaue Ausgestaltung und die Hintergründe dieses Parteitags sei hier nicht eingegangen (vgl. Böll-Stiftung 2001; Bubeck/Fuchs 2001; Westermayer 2001a, 2001b, 2003a, 2003b). Im Prinzip stellte der Virtuelle Parteitag ein auf dem WWW basierendes politisches Online-Forum dar, dessen aktive Zugänglichkeit beschränkt bzw. mit verschiedenen Funktionsrollen (Präsidium, Delegierte, einfache Mitglieder, Öffentlichkeit) sowie einer Abstimmungsfunktion versehen war. Es wurde versucht, die Abläufe und Prozesse eines "normalen" Parteitags möglichst genau abzubilden. Drei Unterschiede im Vergleich zu politischen Internetforen sind hervorzuheben: Erstens war der Virtuelle Parteitag zeitlich beschränkt. Zweitens war er auf die Fassung von Entscheidungen hin ausgelegt – durch die Möglichkeit zur Abstimmung, durch Delegiertenwahlen. Und drittens war er nicht nur an eine Partei angebunden, sondern mit dieser in Form ihrer RepräsentantInnen vernetzt, d.h., im Rahmen des Parteitags traten in verschiedenen Funktionen prominente Parteimitglieder auf.

Im Vergleich zu den Onlineforen haben diese teilweise technischen (etwa eine Zugangsbeschränkung, die Implementation eines Abstimmungsverfahrens), teilweise sozialen (Zeitdauer, institutionelle Anbindung) Unterschiede einen gravierenden Einfluss auf die partizipative Wirkung des Virtuellen Parteitags entfaltet. Hier war tatsächlich – neben einem gehörigen Maß an medialer Aufmerksamkeit und Selbstdarstellung – ein Interesse vorhanden, Mitglieder partizipativ in den Entscheidungsfindungsprozess der Partei einzubinden. Interessant ist es allerdings in diesem Zusammenhang, die Darstellungen des Mitinitiators des Parteitags, Marc Mausch (in Böll 2001) und eine Analyse anhand der Kriterien basisdemokratischer Partizipation (Rogg / Trénel in Böll 2001) miteinander zu vergleichen. Deutlich wird dabei vor allem, dass virtuelle Parteitage zwar prinzipiell Möglichkeiten bereitstellen, Mitglieder verstärkt in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, dass auch diese Möglichkeiten aber erstens angeboten und genutzt werden müssen (der Virtuelle Parteitag ist zwar inzwischen in der Satzung von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg verankert, fand bisher aber kein zweites Mal statt), und dass diese zweitens letztlich kaum über die Partizipationschancen tatsächlicher Parteitage hinausgehen, die ja de facto neben der Funktion innerparteilicher Demokratie viele andere Funktionen haben (vgl. dazu Meyer/Kampmann 1998; Niedermayer 1993; Wiesendahl 1998). Es ist hier allerdings nicht der Ort, um über die Partizipationsdefizite von Parteien zu resümieren, sondern allenfalls der Ort, um darauf hinzuweisen, dass die Hoffnungen, Virtuelle Parteitage könnten zu mehr Basisdemokratie und einer sachlicheren Debatte führen, sich als verfrüht erwiesen haben. Gründe dafür sind einerseits in der Partei selbst zu suchen, die in Bezug auf mediale Außenwirkung, aber auch in Bezug auf den Wunsch nach Beteiligung Virtuelle Parteitage wohl wenig hilfreich – und noch nicht einmal kostengünstiger – findet als tatsächliche Parteitage. Gründe dafür liegen aber auch darin, dass die (soziale) Logik computervermittelter Kommunikation, mit der Hoffnungen wie Versachlichung und Egalität verbunden sind, beim Virtuellen Parteitag nur teilweise greift. Das liegt, kurz gesagt, daran, dass es sich eben nicht um ein Online-Rollenspiel mit fluiden Identitäten (vgl. Turkle 1995) handelt, sondern um eine unter starkem Wirklichkeitsverdacht stattfindende Veranstaltung: durch die Kopplung an die Partei, durch das Auftauchen von Namen, die auch außerhalb des Dis-kussionsforms bekannt sind, durch die ins Reale schwappende Kontinuität und Konsequentialität der Debatte. Anders gesagt: auch der virtuelle Debattenraum ist längst machtförmig organisiert. Hinzuweisen ist auch darauf, dass für Mitglieder ein Virtueller Parteitag, ernsthaft betrieben, zwar möglicherweise Partizipation erleichtert, aber weiterhin mit vor allem zeitlichem Aufwand verbunden ist (vgl. Westermayer in Böll 2001). Auch dies widerspricht allzu großen Hoffnungen auf steigende politische Effizienz durch digitale Partizipation.

Der Virtuelle Parteitag hat schließlich deutlich gemacht, dass Parteitage – und innerparteiliche Meinungsfindungsprozesse – eine komplexe Angelegenheit sind, als ihre institutionellen Strukturen und formalen Funktionszuschreibungen es vermuten lassen. Nur beispielhaft kann darauf verwiesen werden, dass die fehlende Möglichkeit zur "Nebenbei-kommunikation" Folgen sowohl für die Meinungsbildung wie auch für die Anschlussfähigkeit von Neulingen an bestehende informelle Gruppen hat, dass die Rhetorik und die Sichtbarkeit politischer Körperpraktiken (vom Auf-den-Tisch-Hauen bis zur offenen Abstimmung per Arm-Heben in der Menge) vermisst wurde, und dass räumlich stattfindende Parteitage eben immer auch ein Forum zur politischen Kontaktpflege und zur machtvollen Positionierung von Personen sind. All diese informellen Funktionen konnte dieser Virtuelle Parteitag nicht erfüllen: aufgrund des technisch bedingten Ausschlusses von Körperlichkeit und face-to-face-Kontakten, aber auch aufgrund der Tatsache, dass Parteitage mehr sind, als sie zu sein scheinen.

Auch hier als Thesen zusammengefasst: (1) Die beim Virtuellen Parteitag im Vergleich zu Internetforen gesteigerte Partizipativität war durch die Grenzen der innerhalb von Parteien erwünschten Partizipativität begrenzt. (2) Hoffnungen auf technische Erleichterungen der Partizipation (Effizienzargument, Versachlichung) hat der Virtuelle Parteitag letztlich weder auf Seite der Partei noch auf Seite der NutzerInnen erfüllt. (3) Der virtuelle Parteitag hat deutlich auf wichtige informelle Funktionen von Parteitagen hingewiesen (Außenwirkung für die Partei, Kontaktpflege und Positionierung für Parteimitglieder), die für das Funktionieren innerparteilicher Partizipation relevant sind.

Fallbeispiel 3: Bürgerbeteiligung im Internet

Ein drittes Fallbeispiel für computergestützte Partizipation ist ein dreiwöchiges Pilotprojekt der Stadt Esslingen zur internetgestützten Bürgerbeteiligung (vgl. Trénel et al. 2003), bei dem es um ein geplantes Neubaugebiet ging. Neben einem reinen Informationsbereich gab es ein moderiertes Diskussionsforum, in dem BürgerInnen Anregungen und Bedenken zum Baugebiet einstellen und darüber diskutieren konnten. Dieses Forum wurde in der ersten Woche nicht genutzt. In der zweiten Woche füllte sich das Forum mit Beiträgen; dabei wurde insofern aktiv moderiert, als die Moderatoren des Forums sich bei den TeilnehmerInnen für die Beiträge bedanken und auch darum baten, zu kürzen oder Beiträge an einer anderen Stelle einzustellen. Auch die Vertreter der Gemeinde wurden über den Stand der Diskussion direkt per eMail informiert und gebeten, sich zu beteiligen. In der dritten Woche wurde die Diskussion zunehmend heftiger und umfangreiche; einzelne Diskussionsstränge wurden in neue Foren verlagert. Eine Zusammenfassung der Diskussion wurde auf die Website gestellt und dem zuständigen Gemeinderatsausschuss vorgestellt. Von den 119 Beiträgen waren etwa die Hälfte von BürgerInnen, ein Viertel von den Moderatoren und ein Viertel von der Stadtverwaltung. KommunalpolitikerInnen hatten sich direkt am Forum kaum beteiligt. Gründe dafür sind Unerfahrenheit mit der Praxis der Internetkommunikation, aber auch der erfahrene Kontrollverlust über die Wirkung ihrer Aussagen. Der politische Effekt des Verfahrens ist umstritten: während Gemeinde-ratsvertreter im Ausschuss das Forum lobten und auf Aspekte aus der dortigen Diskussion zurückgriffen, bezeichnete eine Bürgerinitiative gegen das Neu-baugebiet das Beteiligungsverfahren als "Alibiveranstaltung". Andere an der Internet-Diskussion Beteiligten nannten dagegen eher die Vorteile des Verfahrens.

Trénel et al. kommen zu dem Fazit, dass BürgerInnen (aber nicht EntscheidungsträgerInnen) das Internet für Beteiligungsverfahren durchaus schätzen, sich aber eine Kombination mit face-to-face-Treffen wünschen. Die Diskussion verlief sachlicher als in der Lokalpresse oder bei Bürgerversammlungen im Rathaus: "Weiter hat sich gezeigt, dass Internetplattformen hervorragend für die diskursive Aufarbeitung von öffentlichen Themen und Konflikten geeignet sind." (Trénel et al. 2003: 51). Besonders wichtig ist dabei der Einsatz erfahrender ModeratorInnen und die Berücksichtigung auch der Bedürfnisse von PolitikerInnen, wenn diese eingebunden werden sollen. Trénel et al. weisen allerdings auch darauf hin, dass das Beteiligungsangebot in Esslingen letztlich politisch wenig relevant war: in erster Linie sehen sie hier eine Machtfrage. Sie vermuten,

"dass sich Politiker zunehmend mit einer neuen Anspruchshaltung auseinandersetzen müssen: Wenn die Bürger das Internet selbst tagtäglich nutzen, u.a. verschiedene Dienstleistungen der Stadtverwaltung online wahrnehmen, und außerdem moderierte Internetplattformen leicht und kostengünstig eingerichtet werden können, dann muss in Zukunft womöglich gerechtfertigt werden, warum betroffene und sachverständige Bürger nicht konsultiert werden." (Trénel et al. 2003: 51).

Neben dem ja auch schon bei den anderen Beispielen deutlich werdenden Machtfragen und der Frage des politischen Willens zur Partizipation macht das Esslinger Beispiel vor allem die Bedeutung einer Begleitung und Moderation politischer Beteiligungsprozesse im Internet deutlich. Sichtbar wird auch das besondere Gewicht, dass der aktiven Werbung für derartige Foren außerhalb des Internet zukommt, um eine erfolgreiche Diskussion zu ermöglichen. Ein wichtiger Punkt ist die Frage, wie an andere Kommunikationspraktiken gewöhnte PolitikerInnen in Forendebatten integriert werden können; letztlich auch eine Frage des politischen Stils. Als These formuliert: Für erfolgreiche partizipative Bürgerbeteiligung kommt es nicht nur auf den politischen Willen und die Ressourcenausstattung an, sondern auch auf eine aktive Begleitung und Bewerbung.

Schlussfolgerungen

Lassen sich über alle drei Fallbeispiele hinweg Schlussfolgerungen ziehen? Ich denke, für alle der hier vorgestellten Partizipationsprojekte im Internet und vielleicht auch darüber hinaus gilt, dass die technischen Voraussetzungen für computergestützte Partizipationsprozesse zwar wichtig sind, aber nur eine Seite der Medaille bilden. Auf der anderen Seite steht die institutionelle Anbindung und soziale Ausgestaltung, die für die Frage der erfolgreichen Partizipation möglicherweise mehr Gewicht hat: also etwa die Art der Moderation oder der politische Wille, Ergebnisse des Forums in Willensbildungsprozesse mit einzubeziehen. Ein erfolgreiches computergestütztes Par-tizipationsprojekt muss vor allem sicherstellen, dass die dort geführten Diskussionen und die dort gefällten Entscheidungen (so eine Entscheidungsfällung überhaupt möglich ist) auch relevant werden. Und dies wiederum ist eher eine Machtfrage als eine technische Frage. Gleichzeitig dürfte die Attraktivität derartiger Beteiligungsformen durchaus auch mit dem tatsächlichen und wahrgenommenen Einfluss zusammenhängen. Die Relevanz von nicht-technischen Elementen wie der Wahrnehmung der Forenkommunikation durch eine Partei, dem politische Umgangsstil oder der aktive Einbeziehung von EntscheidungsträgerInnen in die Kommunikation ist deutlich geworden. Deutlich wird auch, dass Politik nicht nur innerhalb der formal dafür vorgesehenen Formen stattfindet, und im wirklichen Leben eben in den seltensten Fällen die von Internetplattformen optimal unterstützte Abwägung rationaler Argumente darstellt. Der Versuch, politische Strukturen in Technik zu implementieren, macht so die informellen Seiten der Politik sichtbar. Dies hat besonders der virtuelle Parteitag gezeigt. Widersprüchlich schließlich sind die Ergebnisse dazu, ob Beteiligung durch Online-Foren und ähnliches erleichtert wird – oder ob sich nur die Hürden und Ressourcenansprüche verschieben.

Literatur

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Bubeck, Bernhard / Fuchs, Gerhard (2001): Auf dem Weg in die digitale Politik. Eine Untersuchung zum Virtuellen Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg. Arbeitsbericht Nr. 198, November 2001. Stuttgart: Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg.

Giddens, Anthony (1992): Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung. Frankfurt/New York: Campus.

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Hörning, Karl H. (2001): Experten des Alltags. Die Wiederentdeckung des praktischen Wissens. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.

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Rogg, Arne (2001): »Computervermittelte Partizipation und die großen deutschen Parteien«, in Siedschlag, Alexander / Bilgeri, Alexander / Lamatsch, Dorothea (Hrsg.) (2001): Kursbuch Internet und Politik. Band 1/2001: Elektronische Demokratie und virtuelles Regieren. Opladen: Leske + Budrich, S. 27-46.

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(c) Till Westermayer. Veröffentlicht in: Diskus, Zeitschrift der StipendiatInnen der Heinrich-Böll-Stiftung, Sommer 2005.