Stud.live: War's das?

Es begab sich zu einer Zeit, dass einige Studierende des ersten Semesters an der Universität Gießen keinen Zugang zu einem Seminarraum erhielten. Warum? Weil der Raum übervoll war, und weil ein Seminar mit mehreren hundert Teilnehmenden eben kein Seminar mehr ist. Statt sich ihrem Schicksal zu fügen und das für das erste Semester gedachte Seminar eben erst im fünften zu belegen, kam ihnen ein anderer Gedanke: Blockieren wir eben die Uni.

Der Rest ist Geschichte: Kurz darauf streikte Gießen, und wenig später schloßen sich andere Hochschulen bundesweit an. Der damalige u-asta in Freiburg wurde quasi überrollt, an Vollversammlungen nahmen mehrere tausend Studierende teil, und auf den Zeitungsseiten und Fernsehbilder des Winters 1997/98 wimmelte es von bunten Uni-Aktionen. PolitikerInnen entdecken ihr Herz: die Studis hätten recht und für Bildung habe mehr Geld da zu sein. Selbst der Freiburger Rektor, schon damals Prof. Jäger, ließ es sich nicht nehmen, den das KG I/III besetzt haltenden Studierenden höchstpersönlich Schokoweihnachtsmänner vorbeizubringen. Mit Weihnachten endete der Streik, und bis auf ein Bibliotheksprogramm waren die Sonntagsreden bald vergessen.

Wieder einmal steht Weihnachten vor der Tür. Aber Geschenke wird es keine geben. Die Rahmenbedingungen sind nicht besser geworden, doch der Wind hat sich sich gedreht: Da kann ein Finanzminister mal eben planen, dass 500 Euro pro Studi pro Jahr zur Haushaltssanierung schön wären. Aufregen möchte sich niemand, schließlich würde es zu teuer, ein Semester zu verlieren. Wer kühl kalkuliert - die Karriere immer fest im Blick - und kein Interesse an Bildungsidealen oder gar Wissenschaft hat, streikt nämlich nicht. War's das?


 
(c) Till Westermayer, Dezember 2002. Veröffentlicht in: u-asta-info 694, 12.12.02, S. 2.